Kunstbauten

Keine Bahn kommt ohne Kunstbauten aus. Bei Indooranlagen sind diese einfach zu erstellen. Doch wie löst man dies wenn alles Wind und Wetter ausgesetzt ist?

Bekanntlich eignet sich die Wintersaison nicht wirklich um draussen an der Gartenbahn zu bauen. Für uns kam sie aber genau zum richtigen Zeitpunkt, denn zur definitiven Gleisführung benötigten wir zwei Rampen, welche unsere Züge auf eine Höhe von 30cm über dem Gleisniveau "0" transportieren und wieder zurück. Stellte sich nun bloss die Frage wie baut man so etwas für eine Gartenbahn. Wir wussten nicht mal ob die knappe Gleislänge ausreicht um diese Höhe überhaupt zu erreichen. Etliche Stunden Recherche im Internet brachten für unsere Anlage auch  keine überzeugenden Lösungen.
"Papi, wieso versuchen wir das Ganze nicht aus Styrodur (auch XPS-Platten genannt) zu bauen?" tönte es plötzlich aus dem Mund meines Sohnes. Diese bestechende Idee überzeugte mich und schon machten wir uns auf den Weg in den Baumarkt um das benötigte Material zu besorgen.

Styrodur lässt sich mit einer Japansäge oder Fuchsschwanz wunderbar bearbeiten.

So entstanden die Seitenteile der Rampenmodule welche die entsprechend benötigte Steigung aufweisen.

Dies war die leichte Übung. Doch wie bringt man störrische Platten in eine Biegung?

Auf einer alten Pultplatte (ein Modellbahner wirft ja nie etwas weg) entstand eine Bogenlehre.

Zuerst auf einem grossen Karton die beiden Radien aufzeichnen, sauber ausschneiden und auf die Holzplatte übertragen.
Restbestände von Metallwinkeln wurden entlang den aufgezeichneten Linien so montiert, dass sie die zugesägte Seitenplatte in der gewünschten Form festhalten.


Schön, wie die Seitenteile in der gewünschten Position stehen. Doch wie schafft man es nun das diese auch so in der Form bleiben, wenn man sie wieder aus der Lehre heraus nimmt?

 

Abhilfe bringt da ein Industrieföhn. Allerdings ist es eine knifflige Aufgabe die richtige Distanz zum Material zu finden. Ist man zu Nahe dran schmilzt es davon, ist man zu weit entfernt hat die Wärme zu wenig Wirkung.

Ziel ist die Struktur des Materials so zu verändern, dass es eben in der gewünschten Form bleibt.

Nachdem die Platten die Wärmetherapie über sich haben ergehen lassen, haben wir sie mit 3cm starken Zwischenstücken verbunden. Zuerst mit Styrodurkleber. Das hat sich nicht bewährt. Verschrauben mit 6cm langen und 6mm starken Schrauben genügt vollauf.

Stellprobe im Modellbahnraum
Stellprobe im Modellbahnraum
Stell- und Fahrprobe auf der Gartenbahn
Stell- und Fahrprobe auf der Gartenbahn
Gesamtübersicht der 4% Rampe
Gesamtübersicht der 4% Rampe

Damit nicht alles im gleichen "Einheitsbrei" daher kommt, entschieden wir uns beim Ansatz zur grossen Brücke ein Steinbogen-Element zu bauen. Steinbogen im Bogen! Auweia -  wie soll den dies wieder entstehen? Dieses Mal ist es keine rhetorische Frage, wir hatten wirklich keinen Plan.
Die guten Erfahrungen welche wir mit dem Styrodur gemacht hatten bewogen uns dazu auf dieser Basis weiter zu machen. Dies ging aber gründlich in die Hosen. Sobald man einen Bogen aus der Seitenwand heraussägt verliert das Element so stark an Stabilität, dass es nicht mehr verwendet werden kann. Also musste eine andere Lösung her.
Eines Tages kam mein Sohn mit zwei 14cm starken Wärmedämmplatten (ebenfalls aus Styrodur) nach Hause. "Was sollen wir denn damit?" fragte ich mit staunendem Blick. "Ich dachte, du kannst daraus sicher etwas machen." war seine lakonische Antwort. Schön, wenn der Nachwuchs auch im erwachsenen Alter immer noch so viel Vertrauen in den Vater hat.
Um aus diesem vollen Material Bögen auszuschneiden braucht man ziemlich lange Sägeblätter. Eine Laubsäge reicht hier nicht mehr aus. Zum Glück gibt's ja den Baumarkt. Ich wusste gar nicht, dass es so lange Stichsägeblätter gibt. Allerdings war auch das längste Blatt noch 2cm zu kurz, was bedeutete, dass die Form auf beiden Seiten angezeichnet und von beiden Seiten gesägt werden muss. Jeder der schon mal mit einer Stichsäge gearbeitet hat weiss, dass dies praktisch unmöglich ist. Da dieses Material aber auch sehr leicht mit Schleifpapier geschliffen werden kann machte ich mir darüber keine Sorgen.
Die zwei wichtigsten Punkte dabei sind: Erstens das stimmige Aufzeichnen auf beiden Seiten und zweitens die absolut rechtwinklige Einstellung des Sägeblattes zur Auflageplatte der Maschine.
Weil die 14cm starke Styrodur-Platte nicht gebogen werden kann bedeutete das für mich drei einzelne Bogenelemente zu bauen. Diese wiederum mussten an den senkrechten Stossstellen den korrekten Winkel aufweisen damit der Gleisradius eingehalten wird. Zum Glück ist mir Geometrie nicht ganz fremd. Somit hatte ich ziemlich schnell errechnet, dass der korrekte Winkel bei 7,5 Grad liegt. Da ich die Stichsäge nicht auf dieses Mass einstellen konnte bedeutete auch dies wieder Handarbeit. Will heissen, sägen mit der Japansäge.

Das nebenstehende Bild zeigt die drei zugeschnittenen Bögen noch unbearbeitet.

Um es nicht zu einfach zu machen, musste auch noch eine Höhendifferenz von 1,5cm einkalkuliert werden.

Damit das Ganze am Schluss nach Steinbogen aussieht, begann nun eine stundenlange "Ritzarbeit".
Beginnend bei einer Referenzlinie auf 15cm Höhe wurde im Abstand von 1cm eine Ritze mit dem Cutter eingeschnitten.


Ablauf: Schnitt machen, Spachtel einstecken, Alulineal (1cm) ansetzen, nächsten Schnitt machen und viel Geduld mitbringen.

Dabei ganz wichtig: Den Cutter immer in der gleichen seitlichen Neigung halten.

 

Die unteren Ritzen sowie der Steinbogen sind entstanden.
Von hier an wusste ich, dass das Ganze jetzt einfach noch sehr viel Zeit und Geduld braucht. Aber eben, es war ja Winter…
 

Die einfachere, horizontale Ritzarbeit ist abgeschlossen.

Fragen sie nicht, wie viele Stunden ich dazu benötigte. Ich habe sie nicht gezählt, aber die Fortschritte motivierten immer wieder zum weitermachen.

Im Februar waren alle Elemente geritzt….
Im Februar waren alle Elemente geritzt….
…und durften zur Stellprobe auf die Anlage.
…und durften zur Stellprobe auf die Anlage.

Wenn alles noch mit Acrylfarbe angestrichen ist, sieht doch das schon richtig toll aus.

 

Übrigens: Die drei Elemente habe ich mit handelsüblichem Silikon miteinander verklebt. Das hält bombenfest und sollte (hoffentlich) auch Wetterfest sein.

Nun wurden noch die beiden anschliessenden Brückenteile zugesägt, angestrichen und seitlich mit 2,5cm breiten Aluleisten verbunden.

 

Am ersten schönen Samstag im April wurde der Splitt wo nötig zur Seite geräumt und alles fein säuberlich positioniert.

Auch die zweite Rampe wurde nach dem gleichen Prinzip aufgebaut. Allerdings nur noch mit einer Steigung von max. 3% da hier die Gleislänge dies zuliess.

Die 4% Rampe im Vordergrund macht den kleine Loks bereits mit drei Wagen ziemlich Mühe.

Ansicht vom Balkon aus. Es fehlen noch drei Elemente bis zur Brücke. Der definitive Gleisverlauf ist bereits erkennbar.

Am Wochenende vor Auffahrt, wurden alle Elemente abgeräumt und abgeschliffen.

Die Elemente welche bereits einen Winter draussen verbracht hatten, waren oberflächlich leicht "kristallisiert".

Der Carport wurde kurzerhand zur Malerwerkstatt umfunktioniert und auch die Dame des Hauses legte Hand an.

Mit Rollpinseln kommt man sehr schnell voran.

An einem Tag wurden sämtliche 17 Elemente gestrichen und…

…wieder an ihrer Stelle positioniert.

An Auffahrt (bei uns bedeutete dies "Abfahrt") wurde die Position der Elemente seitlich mit Schrauben in den Styrodur-Grundplatten "fixiert", die Gleise verlegt, einige zusätzliche Drähte eingezogen, und etwas Elektrik angepasst.

Und zum ersten Mal fuhren am 25. Mai 2017 die Züglein auf der geplanten, definitiven Strecke.

Der Winter 2017/18 diente nicht nur dem Supern von Fahrzeugen, es mussten auch noch die Brückenpfeiler und das definitive, kleine Brückenelement erstellt werden.

 

Wie auf dem Bild zu sehen, waren auch hier wieder einige Stunden "Ritzarbeit" vonnöten. Ich habe die senkrechten Steinritze von allen 3 Stützen ungefähr errechnet. Wer raten möchte, kann dies in den Kommentaren tun. Wenn mindestens 5 Vorschläge eingegangen sind, werde ich das Rätsel lüften.

 

Entstanden sind die Stützen nach dem gleichen Prinzip wie die Bogenelemente. Die konische Form war Handarbeit mit einer groben Raspel.

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